Im deutschen Hobbybrauerforum gibt es nicht nur gute Bierbrauer, sondern auch sehr begabte Hobbybastler. Letztes Jahr kam dort die Idee auf, eine elektronische Würzespindel zu entwickeln, die eine kontinuierliche Messung von Stammwürze bzw. Restextrakt erlaubt: die iSpindel.
Wer jetzt nur Bahnhof versteht: Während das Bier ca. 2 Wochen in einem Tank oder Eimer vor sich hin gärt, wird der Zucker von der Hefe in Alkohol und CO2 umgewandelt. Mit einer Spindel kann man messen, wie viel Zucker noch nicht vergoren wurde. Bleibt dieser sogenannte Restextrakt konstant, ist die Gärung abgeschlossen und das Bier kann abgefüllt werden. Eine normale Spindel sieht ein bisschen aus wie ein schwimmendes Fieberthermometer. Man setzt sie in die gärende Würze und liest dann den Wert an einer Skala ab. Da das entstehende Bier während der Gärung anfällig für Infektionen ist, sollte man es aber eigentlich möglichst in Ruhe lassen. Die iSpindel erlaubt genau das, indem sie dauerhaft im Gärbehältnis schwimmt und die Messwerte per WLAN nach draußen funkt.
Fertig zu kaufen gibt es die iSpindel allerdings nicht – wie bei jedem Bastelprojekt ist etwas Do-it-yourself gefragt. Es gibt aber zumindest alle benötigten Teile in einem Bausatz zu kaufen. Enthalten sind alle benötigten Elektronik-Komponenten, ein PETling (Rohling für PET-Flaschen) als Gehäuse und ein Schlitten aus dem 3D-Drucker, der die Elektronik im Gehäuse fixiert. Der Kater ist kein Bestandteil des Sets, aber sehr interessiert 😉
Da wir selbst im Leben vielleicht 3 Mal einen Lötkolben in der Hand gehalten haben, haben wir uns für diesen Teil des Aufbaus an den (Schwieger-)Papa gewandt. Der hat das nämlich gelernt, auch wenn zu der Zeit die Bauteile noch etwas größer waren 🙂
Erst Mal alle Teile sortieren, auf Vollständigkeit prüfen und Messgeräte zum Einsatz bringen, das schaut schon mal sehr professionell aus 🙂
Wir sind froh, dass wir das nicht selbst probiert haben. Die Teile sind recht klein, und insbesondere das Auslöten von Kondensator und LED war recht schwierig.
Der Akku passt auch, die Einzelkomponenten sind fertig gelötet, jetzt muss nur noch alles zusammen gesteckt werden. Danach kommt die Schaltung zum ersten Mal an den Strom, um den Akku zu laden. Nichts raucht, nichts stinkt, yippie-ey-yeah!
Mit Software kennen wir uns zum Glück ein bisschen besser aus. Zum Flashen der Firmware wird die iSpindel per USB mit dem Windows-Notebook verbunden. Zuerst wird der COM-Port von dem Flash-Utility nicht erkennt – im Geräte-Manager gibt es das bekannte gelbe Rufzeichen beim USB-Serial-Port. Man muss noch den passenden Treiber (CH341SER.EXE) herunterladen und installieren, dann wird die Schnittstelle erkannt und die Firmware kann innerhalb etwa einer Minute aufgespielt werden.
Jetzt kommt der richtig spannende Teil, bei dem sich herausstellen wird ob tatsächlich alles funktioniert. Nach Einschalten der iSpindel beginnt die blaue LED dauerhaft in einem ca. 1-Sekunden-Rhythmus zu blinken und zeigt so an, dass sie sich im Konfigurationsmodus befindet. In diesem gibt sie sich als WLAN Access Point aus, den man vom Handy oder Tablet ansteuern kann. Wählt man ihn aus, öffnet sich die Konfigurationsseite der iSpindel. Dort kann man auch zum ersten Mal die Sensoren für Winkel/Tilt, Temperatur und Batteriespannung auslesen und kontrollieren ob alle Teile funktionieren. Läuft!
Da die Spindel darauf ausgelegt ist, möglichst wenig Strom zu verbrauchen, kann sie nicht dauerhaft im Konfigurationsmodus verbleiben. Um über Tage bzw. Wochen dauerhaft Werte aus dem Gärbehältnis zu liefern ohne extra aufgeladen zu werden, befindet sie sich die meiste Zeit unerreichbar in einem Schlafmodus. Sie wacht nur in einstellbaren Zeitabständen kurz auf, macht ihre Messungen und schickt sie dann per WLAN an einen Server um danach sofort wieder im Schlaf zu versinken.
Man braucht also einen Server, der die Daten von der iSpindel entgegen nimmt. Dafür bietet sich Ubidots.com an. Nachdem man sich dort registriert hat, bekommt man einen sogenannten Token, über den man Geräte bei dem Service anmelden kann. Genau diesen Token muss man der iSpindel im Konfigurationsmodus mitteilen, außerdem müssen die SSID und das Passwort des eigenen WLAN Access Points eingetragen werden, über den die iSpindel dann die Daten überträgt. Nach dem Eintragen der Daten schickt man die iSpindel über “Save” in den Betriebsmodus.
Und tatsächlich – kurze Zeit später kann man auf Ubidots das iSpindel Device erkennen und auch die ersten Werte wurden bereits übertragen. Wir können noch immer nicht recht glauben, dass das so funktioniert!
Ganz fertig ist man aber trotzdem noch nicht. Das geniale Prinzip an der iSpindel ist, wie sie den Restextrakt misst. Über einen Gyro-Sensor misst sie die Krängung, also die Schlagseite bzw. wie schief sie in der Flüssigkeit schwimmt. Je nach Sättigung der Flüssigkeit liegt sie eher steiler oder flacher im Wasser.
Ein erster Test unter Aufsicht des Assistenten zeigt – da ist noch Trimmung erforderlich.
In reinem Wasser sollte die Spindel ziemlich steil, also mit einem Winkel von 15-25° im Wasser stehen. Dazu wird am Schlitten ein Gewicht befestigt, das den Schwerpunkt nach unten bringt. Nach diversen Experimenten mit 15-35 Gramm Gewicht sind wir bei ca. 25 Gramm als Optimum gelandet, bestehend aus 3 Messingscheiben, verpackt und befestigt mit Isolierband und Kabelbinder.
Der Schlitten wird dann in den PETling geschoben, und die iSpindel ist damit zumindest was die Hardware betrifft einsatzbereit.
Als letzter Schritt fehlt nun noch die Kalibrierung. Da jede iSpindel eine etwas andere Gewichtsverteilung hat, wird experimentell ermittelt, welcher Restextrakt (gemessen in % bzw. in Grad Plato) welchem Schlagseiten-Winkel entspricht. Dazu wird eine Zuckerlösung in verschiedenen Konzentrationen hergestellt, und man ermittelt mit einer üblichen Würzespindel und den Werten der iSpindel Paare aus Winkel und Restextrakt.
Hat man einige solcher Wertepaare gesammelt, läss sich daraus eine Formel ableiten, mit der aus beliebigen Winkeln ein passender Restextraktwert errechnen lässt. Diese Formel trägt man in die Konfiguration der iSpindel ein, und ab dann sendet sie halbwegs realistische Plato-Werte an Ubidots.
Die Konfiguration und Tests sind damit vorerst abgeschlossen, und da wir zuuuufällig am selben Wochenende auch neues Bier gebraut haben, folgt auch gleich der Härteeinsatz. Mitsamt der Hefe kommt die iSpindel mit in den Gäreimer, und wir werden jetzt unseren ersten Sud in der Gärung lückenlos überwachen können.