Strom kann man als Brauer ja nie genug haben, jetzt machen wir ihn (teilweise) selber!
Als wir vor ein paar Wochen gelesen haben, dass man mittels steckerfertigen Mini-Photovoltaikanlagen auch mit wenig Platz seinen eigenen Strom erzeugen kann, waren wir gleich Feuer und Flamme. Mit dem Stichwort „Balkonkraftwerk“ haben wir angefangen im Internet zu recherchieren, und nicht mehr damit aufgehört bis wir gerade mal zwei Wochen später unsere eigene Anlage in Betrieb hatten.
Aber erst mal zurück zum Anfang – was ist so ein Balkonkraftwerk? Im einfachsten Fall besteht es aus einem Solarpanel, wie es auch bei großen Photovoltaikanlagen zum Einsatz kommt, und einem Mikrowechselrichter, der den Gleichstrom des Panels in 230 V Wechselstrom umwandelt und ihn ins Stromnetz von Haus oder Wohnung einspeist. Wenn im Haushalt ein Stromverbraucher läuft – und irgendwas läuft da immer – nutzt er nun erst den selbst erzeugten Strom und nimmt nur soviel Strom vom Energieanbieter, wie er zusätzlich braucht.
Das klingt fast zu schön um wahr zu sein, und man sollte sich auch gleich ein paar Einschränkungen bewusst machen: Wer zum Beispiel glaubt, dass man sich dann bei einem Stromausfall einfach mit eigenem Strom weiterversorgt, wird enttäuscht sein. Das Balkonkraftwerk speist aus Sicherheitsgründen nur Strom ein, wenn das auch der Stromanbieter tut. Auch von der Möglichkeit, den Strom in einer Batterie zu speichern und später zu verbrauchen, wird man sich schnell verabschieden. Das ist technisch zwar möglich, wegen der hohen Kosten wirtschaftlich aber nicht sinnvoll. Strom, den man nicht selber verbraucht, fließt als Geschenk ins Netz des Energieanbieters.
Die Maximalleistung, die man mit einer sogenannten Kleinsterzeugungsanlage generieren darf, liegt in Österreich bei 800 Watt. Eine Faustregel sagt, dass man damit etwa 800 kWh im Jahr selbst erzeugen kann. Das ist aber eine eher optimistische Annahme, und man muss dabei auch berücksichtigen, dass man einen Teil davon nicht selber verbrauchen wird, sondern ohne Gegenleistung ins Netz einspeist.
Noch immer interessiert? Dann hier die Voraussetzungen, bevor man weiter überlegt: Man braucht auf jeden Fall einen Platz, an dem man 1-2 etwa 100×160 cm große und ca. 20 kg schwere Solarpanele möglichst in unverschatteter Südausrichtung sicher aufstellen oder -hängen kann. Im Eigenheim mit Garten wird das meist kein Problem sein, in einer Miet- oder Eigentumswohnung schaut das schon wieder ganz anders aus. Ohne Zustimmung der Hausverwaltung ist es meist nicht erlaubt, das Erscheinungsbild der Fassade zu ändern oder Dinge daran anzuschrauben. Kein Problem sollte es sein, wenn man genug Platz hat um das Panel auf dem Balkon aufzustellen – so haben wir das auch gelöst.
Um den Wechselrichter mit dem Stromnetz zu verbinden, braucht es im Außenbereich einen Stromanschluss. Oft ist der in Form einer Außensteckdose mit Schutzklappe vorhanden. Die hat dann meist Schutzklasse IP44 (Schutz vor Spritzwasser), und dieser Schutz bleibt auch erhalten, wenn man ein außentaugliches Stromkabel mit Schukostecker daran ansteckt. Alternativ gibt es eine spezielle Wieland-Steckdose bzw. die Möglichkeit, den Anschluss fix verkabelt herstellen zu lassen, das muss dann aber ein Elektriker machen. Das Thema Anschluss wird im Internet viel diskutiert, und ob ein Anschluss per Schukostecker nun erlaubt ist oder nicht, hängt wohl letzten Endes vom Netzbetreiber ab. Die Wiener Netze z.B. haben ihre Meinung erst kürzlich dahin gehend geändert, dass ein Anschluss über einen Stecker nicht mehr erlaubt ist.
Es empfiehlt sich auf jeden Fall vor einer Anschaffung auf der Webseite des Netzbetreibers nachzuschauen, welche Anforderungen dort gelistet werden und im Zweifelsfall nachzufragen. Einfach „zu machen“ empfiehlt sich jedenfalls nicht: Ein Kleinanlage muss zwar nicht genehmigt, aber auf jeden Fall gemeldet werden. Immerhin möchte der Netzbetreiber wissen, was in seinem Netz vor sich geht und wer da Strom einspeist. Sollte man noch keinen Smart Meter haben, wird man ihn im Zuge dieser Anmeldung wahrscheinlich bekommen.
Nachdem die Themen Aufstellung und Rechtliches abgehakt waren, ging es für uns an die Beschaffung. Und da wäre das Projekt auch schon wieder fast am Ende gewesen, denn es gibt zurzeit wegen der hohen Nachfrage und pandemie- bzw. kriegsbedingten Nachschubschwierigkeiten praktisch nichts zu kaufen. Vor allem wenn man das Ganze steckerfertig von einem Anbieter kaufen will, muss man sich auf Wartezeiten von mehreren Monaten einstellen.
Wir hatten uns aber mittlerweile tief genug in das Thema eingelesen, dass wir uns auch zugetraut haben die benötigten Komponenten für unseren „Sunny“ einzeln einzukaufen und zusammen zu stöpseln. Die größte Schwierigkeit war auch hier wieder die mangelnde Lieferbarkeit, besonders beim Wechselrichter. Das war dann auch entscheidend dafür, dass wir uns erstmal für eine kleine Konfiguration mit einem Panel und einer Maximalleistung von 300 Watt entschieden haben. Mit dem DEYE SUN300 haben wir einen dazu passenden Wechselrichter bei einem Versender gefunden und schnell bestellt.
Beim Kauf eines Solarmoduls war dann weniger das Problem ein lieferbares Exemplar zu finden, als die Frage wie das zu uns nach Hause kommt. Der Versand – wenn überhaupt angeboten – ist recht teuer, und ins Auto muss man ein so großes Ding erst mal bekommen. Wir hatten dann die Idee, die örtlichen Elektriker bzw. Installateure durch zu telefonieren, ob jemand vielleicht ein Restexemplar aus einer größeren Bestellung herum liegen hat. So sind wir halbwegs günstig zu einem „Jinko JKM370N-6TL3-V“ mit 370 Wp gekommen, das uns gegen eine kleine Maut auch gleich noch nach Hause gebracht wurde.
Schnell noch ein 10 Meter Anschlusskabel (extra so lang, damit wir flexibel bei der Wahl der Aufstellorts sind) bestellt und dann wollten wir das ganze natürlich sofort ausprobieren. Solarmodul an die Mauer gelehnt, den Wechselrichter an die Außensteckdose und dann per MC4 Stecker Solarpanel und Wechselrichter verbunden. Die LED am Wechselrichter blinkt blau, und wir jubeln, denn das heißt dass Strom produziert und eingespeist wird!
Wir haben zum Glück vorher schon gewusst, dass uns das nicht reichen wird und wir sicher genau wissen werden wollen, wieviel Strom denn da jetzt zu welcher Tageszeit und abhängig von der Sonneneinstrahlung erzeugt wird. Deshalb war ein Kriterium bei der Auswahl des Wechselrichters, dass er eine Schnittstelle anbietet, über die man diese Daten auslesen und protokollieren kann. Im Fall des DEYE SUN300 funktioniert das über ein eingebautes WiFi-Modul. Dieses verbindet man mit dem heimischen WLAN, und es sendet dann Daten an einen Server des Herstellers. Dort werden sie aufbereitet, und man kann sie über eine App am Handy oder über ein Web-Frontend anschauen.
Alternativ gibt es auch Wechselrichter, bei denen man die Daten mit zusätzlicher Hardware (USB-Stick mit WLAN o.ä.) auslesen kann, im Internet findet man aber auch oft den Tipp, ein Energiekostenmessgerät oder eine WLAN-Steckdose mit Messfunktion zwischen Wechselrichter und Steckdose zu stecken. Vielen dieser Geräte ist nämlich egal in welche Richtung der Strom fließt, den sie messen. Schwierig könnte nur sein, diese zusätzliche Steckverbindung im Außenbereich auch über alle Komponenten wettersicher auszuführen.
Bevor wir uns jetzt weiter mit Auswertungen zu Stromerzeugung und -verbrauch beschäftigen können, blieb noch das Thema der sicheren Aufstellung. Um hier nicht erst die Hausverwaltung involvieren zu müssen, haben wir uns dazu entschieden, das Solarmodul mittels eines Ständers am Boden aufzustellen. Da wir auch nach langer Suche nichts Fertiges gefunden haben, wollten wir das auch selber basteln. Beim Entwurf galt es einen Kompromiss aus dem idealen Aufstellungswinkel (der idealerweise in unseren Breiten eher flach sein sollte), der benötigten Grundfläche (damit das Ding nicht zu viel Platz beansprucht), Stabilität, Verfügbarkeit der nötigen Bauteile und Preis zu finden.
Aus Aluminium-Winkelprofilen haben wir uns zwei Dreiecksständer gebastelt, mit dem Panel verschraubt und das Ganze mit zwei Terrassenplatten beschwert. Mit der Stabilität sind wir sehr zufrieden, das hält bombenfest und Sunny kann trotzdem bei Bedarf auch mal an eine andere Stelle bewegt werden. Materialwert der gesamten Befestigung waren ca. 80 EUR und wir haben etwa 3 Stunden daran gesägt, gebohrt und geschraubt.
Wenn wir schon beim Geld sind: Eine beliebte und naheliegende Frage ist, wie lange es dauert bis sich so etwas amortisiert. Die 10 Tage, die wir das Balkonkraftwerk betreiben sind natürlich viel zu kurz um dazu definitiv etwas zu sagen. Aber: Im Schnitt haben wir pro Tag etwa 1,2 kWh Strom erzeugt, die uns bei der EVN zurzeit 25 Cent kosten würden. Am Smart Meter können wir ablesen, wieviel Strom in das allgemeine Netz eingespeist, also nicht selbst verbraucht wird. Da kommen wir derzeit auf 13%, das heißt wir verbrauchen einen Großteil des produzierten Stroms auch selbst. Es hilft natürlich, wenn man sein Verhalten überdenkt und versucht Strom zu verbrauchen, wenn er erzeugt wird: Beim Einschalten der Waschmaschine oder beim Laden des E-Bike Akkus ist man ja durchaus flexibel.
Wenn man wieder die Faustregel anwendet und ausgehend von 370 Wp des Moduls eine Gesamtjahreserzeugnis von 370 kWh annimmt und diese mit 20,9 Cent bepreist, kommt man auf etwa 75 EUR. Bei den knapp 500 EUR, die wir insgesamt für die Anschaffung ausgegeben haben, dauert es ca. 7 Jahre, bis sich das ganze amortisiert hat. Wenn die Strompreise weiter steigen, geht es entsprechend schneller. Man kann das Ganze aber auch so rechnen, dass man für 500 EUR am Konto nicht einmal 1 EUR an Zinsen pro Jahr bekommt. Wenn dagegen Sunny auch nur 50 EUR bringt, wäre das schon ein gewaltiger Gewinn.
Man sieht jedenfalls, dass ein großer Hebel bei den Anschaffungskosten liegt. Wenn man ein teures Komplettsystem kauft, einen Elektriker für den Anschluss braucht oder die Kosten für eine sichere Montage hoch sind, wird so ein Balkonkraftwerk immer unwirtschaftlicher.
Für uns war aber abseits vom finanziellen Aspekt der Spieltrieb sowieso wichtiger. In den letzten Tagen haben wir andauernd geschaut wieviel Watt denn jetzt gerade wieder reinfließen. Parallel kontrollieren wir die Daten des Smart Meters und messen den Verbrauch einzelner Geräte, um möglichst viel Strom zu sparen. Es ist einfach befriedigend zu sehen, wenn man untertags manchmal einfach keinen Strom von der EVN zukaufen muss, weil die Grundlast aus Kühlschränken (ja, mehrere, Heimbrauer halt), Modem, Home Office und Wohnraumlüftung aus der Eigenproduktion gedeckt wird.
Wir denken natürlich auch schon über eine Erweiterung und Optimierungen nach, Spielraum nach oben zu den erlaubten 800 Watt haben wir ja noch genug. Spannend wäre zum Beispiel eine Lösung mit zwei Solarpanelen, die man unterschiedlich ausrichtet. Eines nach Südost und eines nach Südwest würde den Zeitraum, über den Strom produziert wird, verlängern. Schauen wir mal, aber erst noch mal schnell die App checken … 240 Watt, yeah! Gib Gas, Sunny! 🙂